Nadine & Michel

„Du bist heute viel zu früh auf die Welt gekommen. Maschinen übernehmen das Atmen für Dich. Kämpfe weiter.“ Das steht auf der ersten Seite in Michels Tagebuch. Jedes Frühchen, das im EVK Lippstadt geboren wird, bekommt dieses Tagebuch. Eltern, Ärzte und Pflegepersonal können hier Informationen und Gedanken notieren. In Michels Tagebuch macht Schwester Felizitas den Anfang. Sie arbeitet auf der Kinderintensivstation im EVK Lippstadt.

 

Wir hatten immer das Gefühl, da sind Experten an unserer Seite. Zusammen mit den Ärzten schafft Michel das.

 

16 Wochen liegt Michel auf der Kinderintensivstation. Mit einem Gewicht von 650 Gramm und einer Größe von 32 Zentimetern war er in der 24. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen. „Es war eine ganz normale Schwangerschaft“, erzählt Nadine, Michels Mutter. Bis zu dem Tag, an dem sie wegen einer Blutung direkt ins Krankenhaus fuhr. Im EVK Lippstadt stellen die Ärzte fest, dass der Muttermund bereits weit geöffnet ist. Michel kommt frühzeitig zur Welt – per Kaiserschnitt.

„Da bricht die Welt zusammen“, sagt Nadine. Michel wird künstlich beatmet und über eine Magensonde ernährt. „Ich hatte Angst, dass er nicht überlebt. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder weinen sollte“, erinnert sich Holger an die ersten Tage nach der Geburt. Auch bei Michel muss die Zeit zeigen, wie es weiter geht. „Abwarten“, sagen die Ärzte jeden Tag aufs Neue. Und Michel macht kleine Fortschritte. Holger: „Dann kam der Tag, an dem ich meinen Sohn das erste Mal eincremen durfte. Ganz vorsichtig, im Inkubator.“

„Wir haben uns in der schweren Zeit gut aufgehoben gefühlt“, beschreibt Nadine die Wochen auf der Kinderintensivstation. Jeden Tag fährt sie von Geseke in das EVK Lippstadt. „Die Ärzte haben sich mit viel Einfühlungsvermögen auch um mich gekümmert.“

Michel kämpft sich in sein Leben. Er erleidet zwei Gehirnblutungen direkt nach der Geburt. Dann diagnostizieren die Ärzte im EVK Lippstadt bei dem kleinen Jungen eine Darmerkrankung. Michel leidet an einer nekrotisierenden Enterokolitis, einer Entzündung der Darmschleimhaut. Überwiegend sehr kleine Frühchen erkranken daran. Die Kinderchirurgen im EVK Lippstadt entfernen 15 Zentimeter Dünndarm und legen einen künstlichen Darmausgang.

 

Nadine: „Wir hatten immer das Gefühl, da sind Experten an unserer Seite. Zusammen mit den Ärzten schafft Michel das.“ Michel erholt sich von der Darmoperation. Und dann steht die nächste Operation an. Ein Herzfehler muss im Herzzentrum Bad Oeynhausen operiert werden.

Heute ist Michel fast zwei Jahre alt. Den Darmausgang haben die Lippstädter Kinderchirurgen wieder zurückverlegt. Und seit der Herzoperation geht es weiter aufwärts.

Michel muss viel nachholen. Etwa ein Jahr ist er in seiner Entwicklung zurück. Schon auf der Kinderintensivstation des EVK Lippstadt lernt Nadine die Mitarbeiterinnen vom Bunten Kreis OWL Sonnenblume e.V. kennen. Der Bunte Kreis kümmert sich um Familien mit frühgeborenen, chronisch- oder schwerkranken Kindern. „Wir hatten nie das Gefühl, mit unseren Sorgen alleine zu sein. Da waren nicht nur die Ärzte und die Krankenschwestern, sondern dieses ganze Netzwerk. Der Bunte Kreis – so viele Angebote und Möglichkeiten“, lobt Nadine.

„Mach weiter so. Schwester Andrea“. Das steht auf der letzten Seite in Michels Tagebuch – am Tag seiner Entlassung aus dem Krankenhaus. Die ersten zwanzig Wochen seines Lebens hat Michel im EVK Lippstadt verbracht. „Die Zeit im Krankenhaus hatte ihre Höhen und Tiefen. Aber sie hat uns geprägt und als Familie fest zusammengeschweißt“, weiß Nadine.